Bin ich ein Medium Ugly Guy?

  • Post published:24. Oktober 2025

Seit Tagen umtreibt mich die Frage, ob ich ein «Medium Ugly Guy» bin? Aufgeworfen hatte diese die Gratiszeitung «20 Minuten» auf einer September-Zugfahrt von Höchi nach Bern. In gewohnt prägnanten Sätzen klärte mich das Blättchen darüber auf, dass einem Social-Media-Trend zufolge Frauen – vor die Wahl gestellt – instinktiv nicht dem «Hottie», sondern lieber dem «Medium Ugly Guy» ihre Liebe schenken würden. Aha. Und warum? Ganz einfach: Da der «Medium Ugly Guy» weniger Avancen von anderen Frauen abwehren müsse, als der klassische Schönling, sinke die Gefahr eines Seitensprungs. Das gebe Sicherheit. Zudem verringere es den Druck, selbst immer «perfekt» aussehen zu müssen. Long story short: «Medium Ugly Guys» gäben – halten Sie sich ob des Begriffes bitte fest – das bessere «Beziehungsmaterial» ab. Natürlich wird im Artikel die ganze Terminologie, die hohe Wellen schlagen könnte, sogleich wieder hübsch weichgeknetet, indem man aufklärt, dass mit «Medium Ugly Guy» keineswegs gemeint sei, dass jemand als halb hässlich gelesen werde, sondern halt einfach nicht im klassischen Sinne als attraktiv. Mir ist das einerlei, weil ich den ganzen Äusserlichkeits- und Kategorisierungswahn dahinter, eine Katastrophe finde. Dabei hatte ich doch schon die Hoffnung gehabt, die jüngeren Generationen, die sich online aber auch im privaten Umgang untereinander sehr Bodyshaming-sensitiv geben, hätten uns als Gesamtgesellschaft in dieser Hinsicht weitergebracht. Aber Pustekuchen, wir sortieren munter weiter: Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Auch ich. So ertappte ich mich doch bereits beim Lesen des Artikels dabei, wie ich mich darüber freute, als «Normalo» (so nämlich der frühere Begriff für «Medium Ugly») beim anderen Geschlecht unbewusst ganz gut im Rennen zu sein… Nur, ähm, was heisst denn schon wieder «normal»? Wer oder was genau ist das? Wie wird es definiert? Und vor allem: von wem? Es ist auch komplett einerlei, denn um ein Arschloch zu sein, braucht es keine bestimmte Art und Weise des Aussehens. Also zur Hölle mit «ugly», «medium ugly» oder «hot»!

Wobei, wie eingangs erwähnt, ganz kalt lässt mich die Frage, ob ich «medium ugly» bin, nicht. Ich überlege mir sogar, ob ich es auf meine mittelalterlichen Tage hin auf der Hübschigkeitsskala nicht doch noch zum waschechten «Hottie» bringen könnte? «20 Minuten» haut nämlich in seiner jüngsten Imagekampagne allen um die Ohren, dass «Lesen sexy macht» – und ich, ich lese viel! Sicher aber führe ich mir dabei nicht die in der Werbung ghypte Gratisblatt-App zu Gemüte, welche das Papierformat schon bald ersetzen wird, sondern ich vergrabe mich viel lieber in «richtige» Texte und «längere» Analysen aus Tageszeitungen, Zeitschriften und Büchern.

Wenn das nicht heiss ist?